Freitag, 15. September 2006

Warten auf den Bus, der nicht kommt

[Erlebnisse von der Adriaküste.]




Stundenlang in der brennenden Sonnenhitze an einem Badestrand zu sitzen und nichts, aber auch überhaupt nichts zu tun, ist für mich immer ein wenig so, als würde ich auf einen Bus warten, der nicht kommt. Anders ergeht es mir auch nicht in einem kleinen Badeort an der Adriaküste in Montenegro.

Dazu sollte man zuerst etwas zur Adriaküste im Allgemeinen erklären: wunderschön anzusehen, aber überall nur Felsen, Felsen und noch mehr Felsen.
Um diesem Umstand zu begegnen, hat man vielerorts einfach die steinigen Strände betoniert, um den Touristen ihr Badevergnügen zu ermöglichen. Da wir es aber nicht sonderlich erstrebenswert finden, auf einem Betonblock zu liegen, während uns der Duft des echten, weiten Meeres in die Nase steigt, suchen wir nach dem letzten unberührten Stück Strand. Fündig werden wir nach einem langen Fußmarsch in der hintersten Ecke der Bucht, sogar noch hinter dem FKK-Strand.

Auf den ersten Blick sind die Steine hier tatsächlich ziemlich klein – eigentlich gar keine richtigen Felsen. Wir mieten uns für je einen Euro Sonnenschirm und Liegestuhl, positionieren uns so, dass wir die nackten Rentner nicht die ganze Zeit sehen müssen, und legen uns hin. Und dann... Warten. Zum Glück ist es trotz den 31 Grad Celsius extrem windig, so beschert mir das gelegentliche Hinter-dem-Sonnenschirm-her-rennen ein wenig Abwechslung.

Irgendwann wird es mir dann langweilig genug, so dass ich beschließe, mich ins Wasser zu wagen. Leider habe ich keine Badeschlappen und erst Recht keine von diesen neuen Badeschuhen dabei, deshalb werden nicht nur die fünf Meter vom Liegestuhl zum Wasserrand über die vielen kleinen Steinchen zum Hindernislauf. Richtig problematisch wird es erst im Wasser, die zwanzig bis dreißig Meter zu überwinden bis es tief genug ist zum schwimmen. Bis ich es dorthin schaffe, stoße ich mir mehrmals das Schienbein an oder rutsche auf den Felsbrocken aus. Überhaupt liefere ich beim Inswasserlaufen eine ziemlich alberne Vorführung – weshalb ich jetzt nicht weiter ins Detail gehen möchte (die meisten anderen Badegäste sind aber auch ab und zu ausgerutscht – ehrlich!).

Ein paar Tage später, zurück in unserer Basisstation in Teslic, erzählt mein Schwager, wie es ihm erging, als er das erste Mal an besagtem Strand im Urlaub war:
Bereits früh am ersten Morgen musste er viel zu viele Taschen unter viel zu wenig Arme klemmen, nicht zu vergessen den Nachwuchs einsammeln. Dann zwei Kilometer zum Strand trotteln, alles auspacken, Kind versorgen, hinlegen. Gerade als er anfängt, sich einigermaßen zu langweilen, muss alles wieder eingepackt werden – schließlich gibt es Mittagessen im Hotel. Also den ganzen Weg wieder mit den ganzen Taschen zurück laufen, essen, Taschen wieder einsammeln, Nachwuchs mitnehmen und zwei Kilometer zurück zum Strand, alles auspacken, Kind versorgen, hinlegen, langweilen. Abends erschöpft ins Hotelbett fallen, nur um zu erfahren, dass man noch einen Abendspaziergang unternehmen müsste.

Drei Tage hielt er durch, als er eines schönen Morgens plötzlich einen wunderschönen Bus an der Haltestelle in Igalo sah. Es war der wunderschönste und bezaubernste Bus, den er jemals gesehen hatte. Und dabei war es eigentlich nur die Aufschrift, die ihn so sehr faszinierte: TESLIC. Er rannte ins Hotel, sagte der Frau und der Schwiegermutter Bescheid, dass er schon mal mit dem Bus vorfährt und küsste die Erde seiner Heimatstadt, als er wieder zu Hause ankam.

Für ihn ist der Bus also doch noch angekommen.

Mittwoch, 13. September 2006

Guter Film, schlechter Film?

[Was ist eigentlich eine gute Filmkritik? »Das Parfum« schenkt Durchblick.]


Das hat man doch alles schon einmal erlebt: da nähert sich die Veröffentlichung eines Films, für den man sich schon länger interessiert, bekommt die erste Rezension in die Hand und liest begeistert, dass der Film das größte Meisterwerk seit Metropolis sei, ja sogar seit der Erfindung des Films überhaupt. Ein paar Tage später schlägt man freudig die Tageszeitung des Vertrauens auf und liest plötzlich, "Katastrophe" oder auch nur "der langweiligste Film seit Sakrileg". Aber was bringt es uns armen Film-Endverbrauchern (die doch nicht mehr verlangen als im Vorfeld zu erfahren, ob sich die Investition in die Kinokarte im Nachhinein lohnen wird) denn überhaupt, die Filmkritiken zu lesen, wenn im Endeffekt doch jeder Autor schreibt, was er will?

Sehen wir uns nur einmal die Rezensionen zum aktuellen Event-Film »Das Parfum« an. In der Zeitschrift »cinema« heißt es zum Beispiel: "Der Film wäre unvorstellbar ohne die exzellente Leistung des britischen Hauptdarstellers Ben Whishaw...". Die Kollegin von »filmszene.de« hingegen schreibt: "Einzig und allein der Hauptdarsteller Ben Whishaw bleibt ein Fragezeichen."

»neon« nennt den größten Wermutstropfen des Films die "schwülstige Filmmusik".
Bei »Filmszene.de« schreibt man: "Bravourös ist auch die dezente und nie aufdringliche Hintergrundmusik".

»cinema« spricht von "Bilder[n] wie Gemälde“, der Rezensent der »Zeit« findet: "Tom Tykwer mag Fantasie und Begeisterung, Ideen und Visionen versprühen, sein Problem ist aber, dass ihm dafür schlichtweg die Bilder fehlen." Und weiter: "In manchen Einstellungen des Films ist diese Diskrepanz zwischen Großausdrucksanspruch und tatsächlichem Bild fast schmerzlich spürbar."

Auf »zdf.de« bemerkt man: "Tatsächlich gelingt es dem Film, die Zuschauer ins Universum der Gerüche zu entführen."
Bei der »Zeit« empfindet man das gar nicht so, merkt dafür aber an: "Tom Tykwer und der Kameramann Frank Griebe geben sich alle Mühe, dieses Organ [Anm.: die Nase des Hauptdarstellers] [...] abwechslungsreich zu filmen. Im Mondschein und bei Kerzenschimmer, mit angespannten und mit zitternden Nasenflügeln, die Luft genießerisch oder auch erstaunt einsaugend, über einem ölgefüllten Röhrchen schwebend und an den schneeweißen Brüsten einer Jungfrau schnuppernd. Nach der siebenundzwanzigsten Großaufnahme hat man fast ein wenig Mitleid mit Whishaw, der zu ewig gleichen Himmelschören immer wieder aufs Neue die Nüstern beben lässt. Aber was hat dieses Nasentheater mit der pathologischen Sinnes- und Gefühlswelt von Grenouille zu tun?"

Am Schluss ist man sich bei der »Süddeutschen Zeitung« sicher, "der ersehnte Filmorgasmus ist das „Parfum“ am Ende nicht geworden".
»cinema« freut sich stattdessen riesig und schließt mit folgendem Fazit: "Bei einem Budget von über 40 Millionen Euro kostete „Das Parfum“ übrigens gerade mal so viel wie zwei Grillfeste von Angela Merkel. Dann schon lieber dieser böse, surreale Kinotraum von Tom Tykwer. "

Verwirrung perfekt? Richtig! Und was jetzt? Muss man grundsätzlich alle Filmrezensionen meiden um sich nicht im Vorfeld von irgendeiner persönlichen Kritiker-Meinung irreführen zu lassen? Man hat im Moment doch gar keine Chance, den Besprechungen für »Das Parfum« zu entgehen. Keine Angst...

Nicht zu unrecht hält man in Medienkreisen an der Überzeugung fest, dass jede Kritik eine gute Kritik ist. Das heißt also, dass die wichtigste Funktion einer Kritik in Wirklichkeit darin besteht, Aufmerksamkeit für ein Werk zu schaffen. Die Bewertung der Qualität eines Films (oder auch Roman, Album etc.) ist eher zweitrangig. So kann eine Reihe von positiven Kritiken zwar zu einem Überraschungserfolg führen – genau so gut können gemischte Kritiken das Interesse des Publikums wecken, sich eine eigene Meinung zu bilden, und auch durchgehend schlechte Kritiken konnten nicht immer einen Kassenerfolg verhindern (siehe Sakrileg).

In erster Linie geht es also darum, die Rezensionen flächendeckend zu streuen, um ein Film-Event zu schaffen, von dem jeder bereits vor Veröffentlichung spricht. Bei dem »Parfum« hat das wunderbar funktioniert. Oder gibt es etwa noch Jemanden, der nicht davon gehört hat?


Foto: Courtesy of Constantin Film, Copyright 2006

Montag, 11. September 2006

Küstendorf

[Zwischen Ethno-Kunst und Alpen-Punk - das persönliche Dorf von Filmregisseur Emir Kusturica.]


Vor ein paar Jahren hat Kultregisseur Emir Kusturica einen Film mit dem Titel „Das Leben ist ein Wunder“ gedreht. In dem Film versucht ein ebenso gutmütiger wie gutgläubiger Hauptcharakter, eine Eisenbahnstrecke samt Eisenbahn in den bosnischen Bergen, direkt an der serbischen Grenze zu renovieren, um eine Touristenattraktion zu schaffen. Leider hat er seine Rechnung ohne den ausbrechenden Bosnienkrieg gemacht, der wenig später ausbrach – statt Touristen wurden schließlich Kanonen auf den Schienen befördert.
Für die Dreharbeiten fand man ein idyllisches Örtchen in Serbien, tatsächlich direkt an der bosnischen Grenze gelegen, in dem es eine alte stillgelegte Eisenbahnstrecke direkt durch die Berge gab. Man schaffte eine alte Lok inklusive passender Waggons an, renovierte und baute einige Häuser für den Film und begann zu drehen.

Doch damit nicht genug. Nachdem sein eigenes Heimatdorf im Krieg zerstört wurde, und von der Vision getrieben, tatsächlich zu beweisen, dass Tourismus auch in Serbien/Bosnien möglich ist, ließ Kusturica in der Nähe der Bahnstrecke ein Museumsdorf erbauen, indem man bewundern kann, wie die Menschen auf dem Balkan vor 200 Jahren gelebt haben. Die Idee, Museumsdörfer zu bauen, ist an sich nicht neu (lediglich in Serbien und Bosnien). Aber dann gibt es da ja auch noch die Eisenbahn, die mittlerweile in der Tat als Touristenmagnet täglich mehrmals fährt – vorbei an den Schauplätzen des Films.

Emir, der Mann, der in Serbien so bekannt ist wie der Präsident (und wahrscheinlich sogar mehr Anhänger hat), hat es also geschafft. Nicht nur, dass er Filme dreht, die ganze Nationen zu begeistern vermögen – er hat auch die erste Touristenattraktion nach Kriegsende geschaffen. Dabei fragen sich viele Landsleute, wie er das denn nun gemacht hat – normalerweise verhindert nämlich die Korruption jegliche Investitionsversuche. Will zum Beispiel jemand ein neues Einkaufszentrum in Bosnien bauen, so wird in aller Regel die Lokalpolitik die nötigen Bestechungsgelder einfordern. Investoren aus dem Ausland werden davon natürlich in aller Regel abgeschreckt. Manchmal entsteht das Einkaufszentrum dann aber einfach ein paar Ortschaften weiter – dort wo weniger Schmiergeld verlangt wurde. Obwohl es keinen Grund zur Annahme gibt, dass solche Geschäfte in Serbien anders laufen als in Bosnien, hat Kusturica sein Projekt durchgebracht.

An einem etwas verregneten Tag inspizieren wir das Dorf, das offiziell Küstendorf heißt (ja, auf Deutsch), was im ersten Moment als ein etwas absurder Name für einen Ort mitten in den Bergen erscheint, in Wirklichkeit aber nur „Kusturicas Dorf“ bedeuten soll. Wir fahren zwei Stunden mit der Eisenbahn, die sogar mit einem alten Ofen geheizt wird. Leider verstehen wir von der Bandansage, die durch die (modernen) Lautsprecher eingespielt wird, nicht sonderlich viel, da sie von dem Lärm der Lok übertönt wird. Eine kleine Geschichte will mein Schwager aber trotzdem ungefähr aufgeschnappt haben: Als die Bahnstrecke gebaut wurde, zahlte der Herrscher die Arbeiter an jedem Wochenende aus. Dann bestellte er eine Bauchtänzerin, die den Streckenarbeitern den Lohn wieder abluchste. In der nächsten Woche bezahlte der Fürst wieder mit demselben Geld. Eine frühe Form staatlich geförderter Prostitution.

Im Dorf selbst sehen wir uns einen Kurzfilm im Kino an, spenden ein paar Cent in der kleinen Kirche, trinken einen Tee und werden von einer jungen Katze regelrecht verfolgt. Selbst eine kleine Galerie gibt es, bewacht von der Skulptur eines in der Nase bohrenden Soldaten mit verrostetem Helm.

Zu guter Letzt dann tatsächlich der große Meister und alte Punker, der mit seinem VW-Caravan mit französischem Nummernschild angefahren kommt, als wir gerade zurück zum Parkplatz gehen. Unrasiert und ungekämmt setzt er seine Füße (die nur von Biolatschen bekleidet werden) auf den matschigen Boden seines Dorfes. Mein Schwager wird später auf der Rückfahrt über diesen Anblick sagen „Kusturica sieht aus wie ich beim Holzhacken“ – dennoch, er wird von einer Aura umstrahlt, der man sich nur schwer entziehen kann. Mit zitternden Knien, ins Teenager-Alter zurückversetzt, stehen wir an unserem Auto und träumen von einer Zeit, in der wir auch einmal bekannte Künstler werden, die das bodenständige Holzfäller-Flair nicht verloren haben...

Samstag, 2. September 2006

Verloren im Tal der Pyramiden

[Gibt es Pyramiden in Europa? Auf den Spuren eines bosnischen Indiana Jones wagen wir eine Expedition ins geheimnisumwitterte Visoko.]



Wer von Sarajevo aus in das 30 Kilometer entfernte Visoko reist, um nach Pyramiden zu suchen, wird sehr bald fündig werden. „Da ist ja eine!“, wird man rufen, dann „dort noch eine!“ und schließlich „wieder eine!“ Mit etwas Fantasie kann man ein gutes Dutzend pyramidenförmige Berge entdecken, noch bevor man am eigentlichen Ziel angekommen ist. Das liegt nicht nur daran, dass die Pyramidensuche schnell beim geneigten Hobby-Forscher die selbe mythische Sogwirkung entfaltet wie eine gut durchdachte Verschwörungstheorie. Tatsächlich ist die Pyramidenform typisch für die Gipfel in diesem Teil Bosniens.
Semir Osmanagic, der Ausgrabungsleiter, wuchs in dieser Gegend auf, ging zum Arbeiten in die Vereinigten Staaten und untersuchte später Pyramiden in Lateinamerika. Wahrscheinlich waren es eben die Gesteinsformationen um Visoko, die ihn in seiner Kindheit faszinierten und prägten und zu dem machten, was er ist – ein getriebener Pyramidenforscher, für den Indiana Jones mehr ist als eine Filmfigur – vielmehr eine Stilfigur!

Unsere Expedition führt uns von der Adriaküste, an Sarajevo vorbei direkt ins „Tal der Pyramiden“. Nachdem wir auf der Anfahrt bereits so viele gesehen haben, sehen wir beim Einfahren in den Ortskern erst einmal nichts. Vor allem kein Hinweisschild. Aus Unwissenheit folgen wir dem Schild in Richtung Stadtzentrum, was sich allerdings als großer Fehler erweist. Es mag sein, dass Visoko im Mittelalter die Hauptstadt von Bosnien war, vom kapitalen Flair ist leider nicht viel übrig geblieben. Auch vom Pyramidentourismus ist nichts zu spüren. Nachdem wir uns mit dem Wagen durch die enge und belebte Hauptstraße getastet haben, halten wir an einer Tankstelle an und fragen. Der Tankwart erklärt, dass wir auf der anderen Seite aus dem Ort rausfahren müssen, dann würden wir schon fündig werden. Am Ortsausgang sehen wir tatsächlich den ersten Souvenir-Stand und die dazugehörige Busladung voll Touristen und Feierabend-Archäologen. Dann ein Parkplatz, der zum „Restaurant Mondpyramide“ gehört. Wir halten freudig inne und dann an – um einen Kaffee zu trinken.

In dem frisch renovierten Etablissement, in dem selbst der Klospiegel in Pyramidenform gestaltet ist, strahlt uns ein Kellner mit schlecht erhaltenen Zähnen an. In Gedanken wünschen wir ihm, dass er viel Geld an den Touristen verdient – damit er sich sein Gebiss erneuern lassen kann. Ein wenig gelangweilt erklärt er uns, dass wir auf den Hügel gegenüber fahren sollten, „da laufen den ganzen Tag irgendwelche Bekloppten rum und schießen Fotos.“ Noch bevor wir weitere Fragen stellen können, ist er mit der Bestellung verduftet. Als der Kellner mit den Getränken zurückkommt, wagen wir es noch einmal, ihn anzusprechen. Ob es dort auch Ausgrabungen zu sehen gibt und ob man, wenn das dort drüben die Mondpyramide sei, auf der Sonnenpyramide auch etwas besichtigen könnte. Ausgrabungen gibt es, aber sonst weiß er von nichts. Auf der Straße taucht eine Pferdekutsche auf, die in Richtung der vermeintlichen Mondpyramide einbiegt. Hinten sitzen zwei Touristen und vorne der Kutscher mit Sombrero. Anscheinend möchte man sich an südamerikanischen Vorbildern orientieren.

Wir zahlen und brechen auf. Unser Weg führt uns vorbei an den obligatorischen Müllhaufen am Wegesrand, über eine schmale Betonbrücke, vorbei an ein paar Häusern zu einem Tante-Emma-Laden, an dem wir scharf links in eine Gasse einbiegen müssen. Für einen kurzen Moment muss ich überlegen, ob unser Auto überhaupt schmal genug für dieses Manöver ist. Es passt. Danach sehen wir nur noch vereinzelt Bauernhöfe, Parkplatzschilder und jede Menge Heu. Wir parken auf einem der ausgezeichneten Plätze, entdecken aber niemand, den wir um Auskunft bitten könnten, ob das so richtig wäre mit dem Parken und wo es denn nun endlich was zu sehen gäbe. Also laufen wir auf gut Glück den Trampelpfad nach links den Berg hoch und entdecken wenig später tatsächlich eine Ansammlung von mindestens vier Souvenir-Ständen, einer Imbissbude und weiteren Parkplätzen, auf denen das Parken 1 bosnische Mark kostet. Wir freuen uns, weil wir meinen, kostenlos geparkt zu haben.

Außerdem haben wir einige Meter oberhalb gelbes Absperrband erspäht, mit dem irgendetwas eingezäunt ist, was von unserer Position wie ein Loch im Berg aussieht. Und damit nicht genug – es ist mittlerweile 17 Uhr und über dem Hügel der vermeintlichen Mondpyramide erscheint der Mond, während auf über der gegenüberliegenden Sonnenpyramide die Sonne noch zu sehen ist. Ein ausgesprochen mystischer Anblick. Wir laufen weiter. Vorbei an T-Shirts, Kupferschalen und Miniatur-Holzpyramiden erreichen wir ihn dann zu guter Letzt – den Ort der Ausgrabungen.

Im Klartext gesprochen also eine gut zehn Meter lange Strecke, auf der Erde vom Berg abgetragen wurde. Alles was wir darunter sehen können wirkt auf uns wie ein mit Sandsteinen angelegter Trampelpfad. Ein junger Mann, der anscheinend für die Überwachung der Ausgrabungsstätte zuständig ist, erklärt uns, dass er uns auch nichts erklären kann. Bevor er uns etwas erläutern würde, könnten wir es uns auch selbst erläutern, da wir angeblich genau so viel wissen würden wie er.

Trotzdem lassen wir nicht locker, und er zeigt und erzählt schließlich von irgendeiner Symmetrie, die man in den Steinen erkennen könnte. Wenn wir mehr wissen wollen, sollten wir uns die Internet-Seite ansehen oder morgen noch mal wieder kommen, da käme der bosnische Indiana Jones persönlich und würde einen Vortrag halten. Allerdings nennt er Osmanagic nicht Indy, sondern liebevoll den „Sheriff“.

Vom Besuch der Sonnenpyramide rät er uns ab, „da gibt es nichts zu sehen.“ Also steigen wir weiter den Hügel der Mondpyramide hinauf, entdecken noch mehrere kleine Gruben und – selbstverständlich – einen weiteren Souvenir-Stand. Da in den Gruben nicht viel mehr zu sehen ist als ein bisschen Schlamm, und da unser Bedarf an Keramikpyramiden gedeckt ist, machen wir uns wieder an den Abstieg.

Am Parkplatz angekommen verlangt ein Bauer im Jogginganzug von uns zwei bosnische Mark Parkgebühr und verwickelt uns in ein Gespräch. Wir erzählen, dass wir zuerst gar nicht wussten, in welche Richtung wir laufen mussten. „Was?“, entgegnet er wild gestikulierend. „Aber ich hätte euch doch helfen können, wenn ich euch nur gesehen hätte, wo wart ihr denn, hattet ihr euch versteckt? Ich war doch nur kurz bei den Apfelbäumen...“ Wir überreichen das Geld mit dem guten Gewissen, den improvisierten Tourismus gefördert zu haben, steigen ins Auto und fahren beruhigt nach Hause – mit der Erkenntnis, dass das Einzige, von dem man auf dieser Pyramide mit Sicherheit sagen kann, dass es echt ist, die Touristen sind, und dass Parken immer dort am teuersten ist wo kein Preis angeschrieben ist.



Ich beim Bezwingen der vermeintlichen Pyramide.



Das Pyramidenmotiv zieht sich auch durch die anliegende Landwirtschaft.



T-Shirts und Publikationen zeigen den bosnischen Indiana Jones – auch Sheriff genannt.